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Organische Chemie › Einführung

Die Organische Chemie umfasst als umfangreichstes Teilgebiet der Chemie alle Verbindungen des Kohlenstoffs mit Ausnahme der Wasserstoff-freien Chalkogenide und deren Derivate, der salzartigen und metall. Carbide sowie der Metallcarbonyle.
Zur Anorganischen Chemie rechnet man neben diesen außerdem alle Kohlenstoff-freien Verbindungen und die chemischen Elemente einschließlich Kohlenstoff. Die Zahl der bekannten organischen Verbindungen, d.h. aller natürlichen u. synthet. Kohlenstoff-Verb., die nicht in den Bereich der Anorg. Chemie fallen, hat bereits die Grenze von 7 Millionen weit überschritten, während die der anorg. Verb. nur etwa 2% davon beträgt. Etwa 90% der org. Verb. bestehen aus C, H u. O in wechselnden Mengenverhältnissen.

Verbindungen, die nur aus C und H bestehen, heißen Kohlenwasserstoffe!

Chemie der Kohlenstoffe

Zahlreiche org. Verb. enthalten auch noch N, während S, P u. die Halogene wesentlich seltener anzutreffen sind, doch kann grundsätzlich jedes Element in org. Verb. eingebaut werden – beispielsweise weist das Gebiet der Metall-organischen Verbindungen eine hohe Zuwachsrate auf. Die Vielfalt u. Vielzahl der org. Verb. – die Zahl erhöht sich jährlich z.Z. um > 300 000 – ist auf die bes. Fähigkeit der Kohlenstoff-Atome, untereinander Ketten u./od. Ringe zu bilden, zurückzuführen; die übrigen Elemente sind hierzu u. auch zur Isomerie nicht od. nur in bescheidenem Umfang befähigt. Die Mannigfaltigkeit der org. Verb. wird auch durch die Tetraeder-Struktur des C-Atoms bedingt, die es zum idealen Baustein für komplizierte räumliche Gebilde macht.
Bei der system. Einteilung der C,H-Grundkörper der org. Verb. unterscheidet man zwischen

  • kettenförmiger
  • ringförmiger Anordnung

Die Unterteilung ergibt sich dadurch, dass auch Heteroelemente in reinen C|H-Strukturen eingebaut werden können. Makromol. Kohlenstoff-Verb.:

  • Eiweißstoffe
  • Nucleinsäuren
  • Polysaccharide
  • Biopolymere

sowie synthet. Polymere sind natürlich auch org. Verb. u. lassen sich jeweils in dieser Systematik unterbringen. Wegen der durch ihren makromol. Charakter bedingten Sonderstellung werden sie heute meist in Lehrbüchern u. Monographien als makromolekulare Stoffe behandelt. Im Jahre 1865 kannte man etwa 3000–4000 org. Verb., 1880 waren es rund 15000, 1910 150 000, 1935 ca. 350 000, 1965 ca. 1 300000, u. heute schätzt man – wie erwähnt – die Anzahl auf ì 7 000 000 – der Zuwachs spiegelt sich logischerweise auch im exponentiellen Anwachsen der zu bewältigenden chemischen Literatur – Chemical Abstracts registrierten 1977 die vier-, 1981 die fünf-, 1983 die sechs-, u. 1990 die siebenmillionste chem. Verbindung!
Geschichtl.: Die Bez. „Organische Chemie“ soll schon auf den Dichter u. Philosophen Novalis (um 1800) zurückgehen; nach anderen Quellen wurde sie 1806 von Berzelius geprägt. Verständlicherweise wurde die Bez. damals auf solche chem. Verb. beschränkt, die allein durch den lebenden Organismus aufgebaut werden konnten. Nachdem es jedoch schon seit 1816 (Döbereiner, später Wöhler 1828: Harnstoff-Synth. aus Ammoniumcyanat) gelungen war, körpereigene Substanz aus anorg. Material zu gewinnen, setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, dass auch die O. C. einer breiten präparativen Bearbeitung zugänglich ist, zumal bald eine Reihe weiterer, aus org. Materie isolierter Verb. synthet. hergestellt werden konnten. Bereits 1838 schrieben Liebig u. Wöhler:

„Die Philosophie der Chemie wird aus dieser Arbeit den Schluß ziehen, dass die Erzeugung aller org. Materien, in so weit sie
nicht mehr dem Organismus angehören, in unsern Laboratorien
nicht allein wahrscheinlich, sondern als gewiß betrachtet werden muß.“

Dennoch setzte sich die Erkenntnis, dass der Kohlenstoff-Gehalt das wesentliche Charakteristikum einer org. Verb. ist, erst in der Mitte des 19. Jh. allg. durch. Die Abtrennung der „Chemie der Kohlenstoff-Verb.“ als O. C., unter Einschluß auch solcher Verb., die nicht in org. Material auftreten, also nur synthet. gewonnen werden können, von der Anorg. Chemie geht vor allem auf L. Gmelin, Kolbe u. Kekulé zurück. Letzterer etablierte dann mit seiner Erkenntnis von der 4-Wertigkeit des Kohlenstoffs u. von der Struktur des Benzols die O. C. endgültig als autonomes Forschungsgebiet. Tatsächlich weisen die org. Verb. des Kohlenstoffs in der Zusammensetzung u. im chem. Verhalten so charakterist. Unterschiede gegenüber den meisten anorg. Verb. auf, dass man die auf anorg. Gebiet gewonnenen Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf org. Verb. übertragen darf u. umgekehrt. So haben sich im Laufe der letzten 100 Jahre Denkweise u. Nomenklatur der Anorg. Chemie u. der Org. Chemie voneinander fortentwickelt. In letzter Zeit scheint sich jedoch eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen Ausgangspunkte bemerkbar zu machen, was besonders an dem rasch wachsenden Gebiet der Metall-organischen Chemie, mit ihren fließenden Übergängen zwischen anorg.- u. org. Systematik u. Methodik, deutlich wird. Die immer stärker vordringende dynam. Betrachtungsweise von org.-chem. Reaktionen lehrt mittels moderner allg. Theorien wie z.B. der Elektronentheorie der chem. Valenz, der MO-Theorie, quantentheoret. Betrachtungen usw. nicht nur den Mechanismus chem. Umsetzungen zu verstehen, neue Reaktionen vorherzusagen od. die jeweils besten Versuchsbedingungen zu wählen, sie führt vielmehr auch den Lernenden vom „Symptomwissen“ (Kenntnis von Einzelreaktionen) zum „Kausalwissen“, indem sie die Vielfalt von Einzelreaktionen nach den ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten – den sog. Reaktionsmechanismen – ordnet, überschaubar u. für die prakt. Arbeit verfügbar macht. In neuerer Zeit sind auf diesem Gebiet weitere Anstrengungen unternommen worden, zumal durch Eindringen des Computers in die chem. Laboratorien, verallgemeinerungsfähige retrosynthet. Betrachtungsweisen für eine strategische Synth.-Planung zur Verfügung stehen, die durch mathemat. Algorithmen angegangen werden können .

Molekülorbitale (MO)

Mol. Einelektronenwellenfunktionen, d.h. von den Ortskoordinaten eines Elektrons abhängige Funktionen. M. werden heutzutage häufig über das Hartree-Fock-Self-Consistent-Field berechnet, wobei ab initio- od. semiempirische Verfahren eingesetzt werden. Die M. werden meistens durch Linearkombination von Atomorbitalen (AO) dargestellt. Wie bei chemische Bindung beschrieben, können anstelle der delokalisierten kanon. M. in gleichwertiger Weise auch lokalisierte M. zur Beschreibung der Elektronenstruktur eines Mol. herangezogen werden (sofern die Lokalisierung gelingt

Valenz

(von lat.: valens=stark, wirksam, wert sein)

  1. Insbes. in der Anorg. Chemie Synonym für Wertigkeit. In diesem Sinne wird V. auch verstanden in zusammengesetzten Begriffen, die in einem Zusammenhang mit chemischer Bindung u. Bindigkeit stehen; Beisp.: Kovalente Bindung, Restvalenzen, Hypervalente Moleküle, Mischvalenz (s. Wertigkeit), Partialvalenzen, vgl.a. Wertigkeit u. die hier folgenden Stichwörter u. Verweisungen.
  2. In der Theoret. Chemie ist die Valence-Bond-Methode (VB-Methode) eine Alternative zur MO-Theorie, die v.a. auf qualitat. Ebene zur Diskussion von Bindungsverhältnissen Anw. findet.
  3. In der Immunologie versteht man unter V. die Zahl der Haftstellen (Determinanten, Haptene) eines Antigens (bzw. Antikörpers) für Antikörper (bzw. Antigene).

Valenzelektronen

Elektronen, die sich bevorzugt in der äußeren Elektronenschale (Valenzschale) eines Atoms od. Mol. aufhalten. Die Elektronen, die sich überwiegend in der Nähe der Atomkerne aufhalten, nennt man Rumpfelektronen.

Valence-Bond-Methode

(VB-Methode, Valenzstrukturmethode, HLSP-Methode)

Näherungsverf. der Quantenchemie, welches in engem Zusammenhang mit der klass. (vorquantenmechan.) Valenztheorie von Lewis steht. Die V.-B.-M. wurde kurz nach der Entwicklung der Quantenmechanik begründet; Ausgangspunkt ist die 1927 erschienene Veröffentlichung von Heitler u. London über die chemische Bindung im H2-Mol.. Die Erweiterung auf Mol. mit mehr als 2 Elektronen wurde v.a. von Pauling, Slater u. Eyring vorgenommen.
Die V.-B.-M. geht von der Vorstellung aus, dass die Atome in einem Mol. weitgehend erhalten bleiben. Die Wellenfunktion eines Mol. mit 2 od. mehr Elektronen wird daher in der V.-B.-M. im Gegensatz zur MO-Theorie direkt aus Atomorbitalen (AO), d.h. atomaren Einelektronenwellenfunktionen aufgebaut.

Rumpfelektronen werden mit antiparallelen Spins in den Aos untergebracht
Valenzelektronen sind zu einem Singulett gekoppelt

Während die MO-Theorie eine zwanglose Erklärung dafür liefert, dass das Sauerstoff-Mol. im elektron. Grundzustand ein Triplett ist, hat die V.-B.-M. in diesem Fall mehr Schwierigkeiten.
Es gibt viele Mol., die sich nicht durch eine einzige Lewis-Formel adäquat beschreiben lassen. In solchen Fällen ist auch der einfachste VB-Ansatz komplizierter, d.h. es sind mehrere „Grenzstrukturen“ zu berücksichtigen u. die Gesamtwellenfunktion ist eine Linearkombination hiervon, die nach Pauling auch als Resonanzhybrid bezeichnet wird. Wie in den bisherigen Beisp. werden die Spins von jeweils zwei Elektronen zu einem Singulett gekoppelt, so dass Elektronenpaarbindungen resultieren. Auf qual. Ebene gehört die V.-B.-M. zum Handwerkszeug eines jeden Chemikers, das zur Diskussion von Bindungsverhältnissen u. Reaktivität eingesetzt wird. Die qualit. Aspekte der V.-B.-M. sind v.a. in Paulings Buch ausführlich dargestellt. Den Versuch einer Synth. von VB- u. MO-Theorie stellt die Molecular Orbital Valence Bond (MOVB)-Theorie von Epiotis dar.

Räumliche Ausrichtung

2 sp² - linear
3 sp² - planar, trigonal 120°
4 sp³ - tetraedrisch 109°

Tetraeder

griech.: tetra = vier u. hedra = Fläche
abgeleitete Bez. für Vierflächner, eine Pyramide mit dreieckiger Grundfläche. Das von vier gleichseitigen Dreiecken begrenzte regelmäßige T. zählt zu den 5 platonischen Körpern. Das T.-Modell des vierbindigen Kohlenstoffs wurde 1874 unabhängig voneinander von van't Hoff u. Le Bel aufgestellt u. ist eine der Grundlagen der Stereochemie org. Verb.. Eine theoret. Begründung des T.-Modells liefert die Quantenchemie, insbes. die Valence-Bond-Methode. Tetraedr. Strukturen findet man nicht nur bei Verb. der 4. Hauptgruppe, sondern auch bei zahlreichen Koordinationsverb. mit der Koordinationszahl 4.

Aufbauprinzip

Regeln zur Ermittlung der Elektronenkonfiguration eines Mehrelektronenatoms mit der niedrigsten Gesamtenergie. Die Atomorbitale werden hierbei nach zunehmender Orbitalenergie unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips u. bei entarteten od. fastentarteten Orbitalen auch der Hundschen Regeln besetzt. Für die Orbitalenergien der energetisch tiefsten Atomorbitale gilt die Reihenfolge: 1s<2s<2p<3s<3p. Das Atom läßt sich auch auf Moleküle anwenden; anstelle der Atomorbitale sind dann Molekülorbitale zu verwenden.

Konfiguration

Begriff aus der Stereochemie. Unter Konfiguration versteht man die räumliche Anordnung eines Mol. ohne Berücksichtigung der verschiedenen Atomanordnungen, die sich voneinander nur durch Rotationen um Einfachbindungen unterscheiden. Mol. mit gleicher Konstitution aber unterschiedlicher K. nennt man Konfigurationsisomere. Zur gegenseitigen Umwandlung von Konfigurationsisomeren müssen Atombindungen getrennt u. neu gebildet od. wenigstens stark geschwächt werden, weswegen die zwischen ihnen existierende Energiebarriere ziemlich groß ist. Konfigurationsisomere sind daher als stoffliche Individuen isolierbar u. charakterisierbar; die Reaktionsgeschw. für ihre Umwandlung ineinander ist bei Raumtemp. äußerst klein. Dies steht im Gegensatz zu den Konformationsisomeren, deren gegenseitige Umwandlung nur wenig Energie erfordert u. entsprechend rasch abläuft. In vielen Fällen unterscheiden sich Konfigurationsisomere dadurch, dass sie sich wie Bild u. Spiegelbild verhalten, die nicht zur Deckung gebracht werden können; man bezeichnet sie dann als Enantiomere. Voraussetzung für das Auftreten von Enantiomeren ist das Vorliegen von Chiralität. Alle anderen Konfigurationsisomeren sind Diastereomere. Zur Beschreibung der K. von Spiegelbild-Isomeren verwendete man früher dreidimensionale Darst., heute jedoch bevorzugt man die Projektionsformeln nach Emil Fischer od. Darst. wie die bei Enantiomerie od. Diastereo(iso)merie gewählten, bei Kohlenhydraten die sog. Haworth-Projektionen.
Die absolute Konfiguration einer Verb., d.h. die tatsächliche Anordnung der an asymmetr. Atome gebundenen Gruppen, wurde erstmals von J. M. Bijvoet et al. durch röntenograph. Unters. des Natriumrubidiumtartrats u. des Isoleucinhydrobromids ermittelt. Dabei ergab sich, dass die von E. Fischer vermutete Anordnung der ans asymmetr. C-Atom gebundenen Gruppen den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.
Zur Herst. von opt. akt. Verb. erwünschter K. bedient man sich der bei asymmetrische Synthese, Chiralität u. Racemattrennung erwähnten Methoden, u. die Enantioselektivität der Reaktion kennzeichnet man als optische Ausbeuten, vgl. Enantiomerie. Für die physikal. Eig. von Kunststoffen ist die K. der Monomeren u. die daraus resultierende Taktizität wesentlich. In anderem Zusammenhang benutzt die Theoretische Chemie den Begriff K., nämlich zur Beschreibung des Besetzungszustands von Elektronenniveaus bei Mol. u. Atomen (Elektronenkonfiguration). Häufig wird auch – etwas salopp – von einer Konfigurations-Zustandsfunktion als einer K. geredet.

Standartkonfiguration aller Elemente

1s² 2s² 2s6 3s² 3s6 4s² 3d10 4s6 5s² 4d10 5p6 4f14...

Konstitution

Bez. für die unverwechselbare u. für jede chem. Verb. charakterist. Anordnung der Atome, Atomgruppen u. Valenzelektronen (Bindungen) im Mol. ohne Berücksichtigung von räumlichen Richtungen. In der Praxis werden die Termini Struktur u. K. meist unterschiedslos nebeneinander gebraucht, obwohl erstere eigentlich räumliche Vorstellungen impliziert. Entsprechend wird nur selten zwischen Struktur- u. K.-Formel unterschieden, obwohl strenggenommen Strukturformeln den räumlichen Aufbau von Mol., ggf. sogar Konfiguration u. Konformation erkennen lassen sollten, während K.-Formeln nur das Atom-Gerüst kennzeichnen, wenn sie auch informativer als Bruttoformeln sind. Verb. mit der gleichen Bruttoformel, aber unterschiedlicher K. bezeichnet man als Konstitutionsisomere (od. Stellungsisomere). Man nennt die von Kekulé eingeführten K.-Formeln, die z.B. durch Doppel- od. Dreifachbindung behelfsmäßige Annahmen über die Atom-Verkettung machen, auch aufgelöste Formeln. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Elektronenformeln als K.-Formeln zu betrachten. Die Ableitung der K. eines Stoffs aus seinen Analysendaten nennt man Konstitutionsermittlung. Die K. einer chem. Verb. ist verantwortlich nicht nur für ihre chem. u. physik., sondern auch für ihre physiolog. Eig. Man bemüht sich daher, quant. Beziehungen zwischen K. u. physiolog. Wirkung aufzustellen u. gezielt Substanzen zu synthetisieren, die eine bestimmte sensor. od. pharmakolog. Wirkung zeigen. Andererseits ist es gerade die räumliche Struktur einer Verb., die eine bestimmte physiolog. Wirkung hervorruft. Man denke z.B. an die unterschiedlichen Eig. von zwei Enantiomeren einer konstitutionell einheitlichen Verb.

Konformation (Konstellation)

Ein von Haworth 1929 erstmals benutzter Begriff aus der Stereochemie. Hierunter versteht man die genaue räumliche Anordnung von Atomen od. Atomgruppen eines Mol. definierter Konstitution u. Konfiguration.Verschiedene K. werden durch Rotation um Einfachbindungen erzeugt u. lassen sich nicht zur Deckung bringen; theoretisch existieren bei einem Mol. gegebener Konfiguration unendlich viele K. Entsprechen diese einem Energieminimum, so redet man von Konformationsisomeren od. Konformeren, insbes. bei offenkettigen Verb. auch von Rotationsisomeren od. Rotameren. Die Energiebarrieren zwischen Konformeren sind meistens so klein, dass eine Isolierung verschiedener Konformere nicht möglich ist. Isolierbar werden Konformere, wenn die Energiebarriere bei Raumtemp. bei etwa 70 kJ mol–1 liegt. Im Fall von 2 Substituenten wird bei den gestaffelten K. zwischen der antiperiplanaren Form (trans-Form) u., zwei synclinalen (synschiefen, windschiefen; E skew od. gauche) Formen unterschieden, wovon letztere im gegenseitigen Verhältnis von Bild u. Spiegelbild stehen. Desgleichen gibt es 3 eklipt. Formen (anticlinal u. synperiplanar), die energiereicher u. daher unwahrscheinlicher sind. K.-Betrachtungen werden bes. bei Ketten angestellt, d.h. bei linearen Makromolekülen. Die IUPAC-Regeln zur Stereochemie von Polymeren legen nicht nur die Benennungen von Konfigurationen fest, sondern auch die von K. u. der Taktizität von Makromolekülen. Noch früher als bei acyl. Verb. sind K.-Überlegungen bei gesätt. cyclischen Verbindungen zur Deutung zahlreicher Phänomene herangezogen worden, insbes. solcher, die die Baeyer-Spannungs-Theorie vom ebenen Bau der Ringe unerklärt ließ. Dagegen forderte schon die Sachse-Mohr-Theorie den nichtebenen Bau des Cyclohexans u.a. Ringe. Die Vorstellungen Sachses (1890) konkretisierten sich im Sessel-Wanne-Modell des Cyclohexans.
Die Konformationsanalyse untersucht die bevorzugten K. eines Mol. Zur Konformationsanalyse werden physik. u. theoret. Meth. herangezogen. Von bes. Bedeutung ist die K.-Analyse bei den Biopolymeren, da sich daraus Eig. wie die Sekundär-, Tertiär- u. Quartärstruktur von Proteinen, Helix-Coil-Umwandlungen, die Rechtshändigkeit der DNA-Helix u.a. ableiten. Die K.-Unters. biolog. wichtiger kleiner Mol. haben zu Erklärungen für die erstaunliche Spezifität vieler enzymat. Reaktionen, pharmakolog. od. olfaktor. (geruchlicher) Eig. geführt u. Theorien für die Wirkungsweise von Zellmembranen gestützt.

Struktur

lat.: structura = Bau, Bauart
abgeleitete Bez. wird in der Chemie in vielerlei – hier im allg. in Einzelstichwörtern behandelten – Zusammenhängen gebraucht, häufig zwar auf die Anordnung der Atome u. Atomgruppen in einem Mol. – im Rahmen der Strukturchemie im Sinne von Konstitution – beschränkt, nicht selten auch pauschal als Oberbegriff zu Konfiguration u. Konformation.
Praktischerweise unterscheidet man 3 Typen von S.:

  1. Mit Modellvorstellungen verbundene S.:
    Elektronen-S. der Atome,
    Bindungs-S. der chemischen Bindung (mit Elektronendichteverteilungen aufgrund theoret. Vorstellungen z.B. der MO-Theorie od. ermittelt durch Kristall- bzw. Röntgenstrukturanalyse) etc.
  2. Geometr. S.:
    S. der Moleküle als Konstitution (durch Strukturformeln symbolisiert),
    Konfiguration u. Konformation (durch räumliche Darst. versinnbildlicht) Kristall-S. (die ggf. Hinweise auf die Mol.-S. gibt),
    S. von Gläsern amorphe Strukturen,
    S. von Makromol. (Primär- bis Quartär-S.) etc.
  3. Zeitabhängige S.:
    S. von Flüssigkeiten u. Lsg.,
    S. von Mol. mit Fluktuierenden Bindungen,
    von Nichtstarren Mol. von oszillierenden Systemen (dissipative Strukturen),
    von ionotropen Gelen, Liesegangschen Ringen u.ä. Phänomenen, wie sie evtl. in der Evolution eine Rolle gespielt haben (Synergetik).

In das Schema lassen sich auch Begriffe wie Grenzstrukturen, Strukturisomerie einbauen.
Die S.-Aufklärung wird häufig als eigenständiges Arbeitsgebiet (Strukturchemie) angesehen. In Anbetracht der Vielzahl möglicher S. für eine Verb. ist nicht nur die Konstitutionsermittlung einschließlich der Aufklärung der Stereochemie eine wichtige Aufgabe, sondern auch die Erfassung der S. durch die Mittel der Datenverarbeitung. Hiermit in Zusammenhang steht die Speicherung von org. S. u. Partialstrukturen für die Zwecke der Dokumentation, wofür eine Reihe von Notationen u. ein selbsttätig arbeitendes, sog. topolog. Codierungsverf. entwickelt worden sind. Überdies sollte die chem. Nomenklatur in der Lage sein, geometr. S. von Mol. eindeutig zu beschreiben, u. zwar selbst von komplizierten Mol. wie

  • Käfig- od. Kronenverb
  • Kryptaten
  • Koordinationsverb.
  • od. synthet. u. natürlichen Makromolekülen

Zur Benennung bedient sich die Nomenklatur u.a. sog. Strukturpräfixe wie

  • cis
  • trans
  • synperiplanar
  • icosahedro
  • mer
  • fac
  • nido
  • a b E Z R S usw.

Einprägsamer als der Name einer chem. Verb. ist oft das mit Hilfe der chemischen Zeichensprache erstellte Formelbild.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Beziehungen zwischen der S. von Stoffen u. ihren physik. Eig. (Schmelz- u. Siedepunkt, Lsg.-Eig., Farbe etc.) nicht nur durch empir. Regeln (Parachor, Refraktion, Molrotations-Differenzen etc.) zu erfassen, sondern mit den Meth. der Quantenchemie abzuleiten. Hier sind erste Teilerfolge zu verzeichnen, zu denen Gruppen- u. Ligandenfeldtheorie, MO-Theorie u. Valence Bond-Methode, Kraftfeld-, Symmetrie- u. Topologie-Betrachtungen Interpretationshilfe geleistet haben.

Strukturformel

Bez. für die symbol. Darst. der Struktur eines Mol. unter Verw. von Elementsymbolen, Strichen, Punkten, Sonderzeichen etc..
Gelegentlich, aber nicht konsequent, unterscheidet man zwischen
Konstitutionsformel

gibt die Konstitution des Mol. unter Verzicht auf die Darst. seiner Stereochemie wieder
Strukturformel
soll die auch die räumliche Geometrie deutlich machen

Für bes. Konfigurations- u. Konformations-Betrachtungen können sog. Projektionsformeln von Vorteil sein. In der org. Chemie sind Skelettformeln als Konstitutionsformeln gang u. gäbe; hier bedeutet jeder Knick od. Eckpunkt eine CHn-Gruppierung. Die Bez. Struktur u. Strukturformel wurden von Butlerow, die Bez. Konstitutionsformel dagegen von Kekulé geprägt. Zur graph. Darst. von S. bedient man sich zweckmäßigerweise der Formelschablonen, od. man verwendet Letraset-Symbole.

Isoelektronisch

Bez. für den Zustand, dass die gleiche Zahl u. Anordnung der Elektronen bei verschiedenen Atomen, Ionen u. dgl. vorliegt; Beisp.: O2–/F–/Ne/Na+/Mg2+/Al3+ od. HF/OH–.

Hydrid-Verschiebungssatz

Die von Grimm aufgestellte, auch als Grimmscher H. bezeichnete Regel besagt: Durch Aufnahme von n Wasserstoff-Atomen nehmen Atome (bzw. die so gebildeten Pseudoatome) formal die Eig. der im Periodensyst. n Stellen rechts neben ihnen stehenden Atome an, was durch die gleiche Ladungszahl verursacht wird. Beispielsweise lassen sich folgende Analogien aufstellen:
Innerhalb der senkrechten Kolonnen sind die Gruppen bzw. Pseudoatome isoelektronisch, nicht dagegen isoster. Die „Pseudoelemente“ F bis CH3 treten (z.T. neg.) einwertig, Na bis CH5 bevorzugt in Form pos. Ionen auf. Der H. macht plausibel, dass sich Fluorid- u. Hydroxid-Ionen in Silicaten gegenseitig vertreten können. Isoelektronisch verhalten sich auch die „Dimeren“ Sauerstoff (O=O), Diimin (HN=NH) u. Ethylen (H2C=CH2) sowie Stickstoff (NºN) u. Acetylen (HCºCH). Auf dem Grimmschen H. aufbauend hat Haas ein „periodisches System funktioneller Gruppen“ entworfen.

Isosterie

Von Langmuir (1919) geprägte Bez. für den bes. isoelektronischen Zustand, dass Mol. od. Ionen bei gleicher Anzahl an Atomen die gleiche Gesamtzahl an Elektronen, die gleiche Elektronenkonfiguration u. die gleiche Gesamtladung besitzen.
Isostere Verb.-Paare lassen sich aufgrund einer einfachen Regel auffinden, wenn man von zwei Atomen einer beliebigen Verb. das eine durch ein Atom mit einer um x höheren, das andere durch ein Atom mit einer um x kleineren Ordnungszahl ersetzt. Die physik. Eig. von isosteren Verb. sind einander sehr ähnlich; man kann deshalb aufgrund von bekannten Eig. einer Verb. auf diejenigen ihrer isosteren Partner schließen, was die Suche nach Verb. mit gewünschten Eig. sehr erleichtert. Deshalb hat man I.-Überlegungen auch in die pharmazeutische Chemie einbezogen u. benutzt sie bei der Suche nach neuen Pharmaka mit agonist. u. antagonist. Wirkung (sog. Bioisosterie).
In verwandtem Sinne spricht man von I. bei solchen Effektoren, die eine kompetitive Hemmung von Enzymen aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit dem Enzymsubstrat hervorrufen, s. dagegen Allosterie.

Isomerie

  1. In der Chemie Bez. für die Erscheinung, dass die Mol. von Verb. aus den gleichen Anzahlen der gleichen Atome bestehen, sich jedoch hinsichtlich ihrer Anordnung unterscheiden können, wodurch unterschiedliche Eig. der Verb. bedingt werden. Isomer sind somit chem. Verb. mit gleichen Brutto-, jedoch verschiedenen Strukturformeln. Die zueinander im Verhältnis der I. stehenden Verb. werden Isomere oder Isomeren genannt. Die Konformations-I. – ebenfalls eine Form der Stereo-I. – ist demgegenüber nur selten mit dem Auftreten optischer Aktivität verbunden. Sie kommt zustande durch Rotation von Gruppen um Einfachbindungen. Bei gehinderter Rotation kann es zur Ausbldg. von Atropisomerie kommen. Bei Komplexen kennt man weitere I.-Möglichkeiten, bei Hydraten die sog. Hydratisomerie, bei Verb.-Klassen wie Catenanen, Knoten u. dgl. od. Einschlußverb. die sog. topologische I., bei Verb. mit fluktuierenden Bindungen (Topomeren) I. durch Topomerisierung. Die Zahl der möglichen Isomeren zu einer gegebenen Bruttoformel wächst mit der Zahl der Atome rasch an. Auf die Bedeutung der I. in Chemie u. Physiologie braucht wohl nicht hingewiesen zu werden – man denke an die Unterschiede hinsichtlich Geruch, pharmakolog. od. tox. Wirkung, die bei Isomeren zu beobachten sind.
    Geschichtl.: Die frühesten Überlegungen zur I. sollen von Jungius stammen, die ersten systemat. Beobachtungen machte Meinecke , bevor Liebig 1823 bei der Elementaranalyse feststellte, dass Stoffe trotz ihrer chem. Verschiedenheiten die gleiche Bruttoformel besitzen. Wenige Jahre später synthetisierte F. Wöhler (1828) den isomeren Harnstoff u. damit eine org. Verb. durch Isomerisierung aus einer anorg. Verbindung. Der Begriff I. wurde 1830 von Berzelius in die Chemie eingeführt; er verstand darunter Stoffe, die „die gleichen Elementaratome, aber in ungleicher Weise zusammengelegt“ enthalten.
  2. In der Kernphysik u. Kernchemie tritt Kernisomerie auf.

Nomenklatur

(von lat.: nomenclatio = Benennung mit Namen)

Unter N. im allg. Sinne kann man eine Art „Sprachregelung“ verstehen, derer sich manche Wissenschaftszweige zur sprachlichen Beschreibung u. Gliederung ihrer spezif. Gegenstände bedienen – beispielsweise spricht man von der N. der Enzyme, der Viren u. Bakterien, der Biologie, Botanik, Zoologie, Genetik, Medizin, Physik, Geologie etc., u. auch die Pharmakopöen der Apotheker u. Listen von Freinamen u. Common Names kann man als N. betrachten, ja sogar die sog. Brüsseler Nomenklatur. Die chem. Wissenschaft kann sich glücklich schätzen, dass sich ihre charakterist. Gegenstände u. Sachverhalte oft durch recht einfache Definitionen erschließen u. in Klassifikationen ordnen lassen, auch wenn die definitor. Abgrenzung nichtmaterieller Begriffe (z.B. Cycloaddition, Umlagerung, Reaktionsordnung u. -kinetik etc.) noch in den Anfängen steckt. Ob man überhaupt dgl. Definitionen als Teil der chem. N. ansieht od. sie einer Terminologie der Chemie zurechnet u. in einen Thesaurus einordnet, ist hier nicht zu diskutieren. Darum sei hier unter N. im Bereich der Chemie die von den Fachgremien, v.a. den N.-Kommissionen der IUPAC, festgelegten od. zumindest vorgeschlagenen Richtsätze zur Benennung der chem. Elemente u. Verb. verstanden. Auch die Festlegung von Abk. für systemat. Namen ist zweifellos Bestandteil der N., nicht dagegen Notationen u. Codierungen von chem. Strukturen, die man zur Symbolik, mit Einschränkungen auch zur chemischen Zeichensprache, rechnen kann. Noch weniger mit N. hat das Registry Number-System von Chemical Abstracts zu tun.
Org. Chemie: In den ältesten Zeiten benannte man die chem. Substanzen regellos u. willkürlich nach ihrem Vork. in der Natur, nach ihrer Herkunft aus anderen Stoffen od. nach gewissen äußerlichen Merkmalen; so hieß z.B. jeder salzig schmeckende Stoff Salz, jeder flüchtige Stoff Spiritus usw. Erst gegen Ende des 18. Jh. versuchte Lavoisier, eine planmäßige, systemat. Benennung der Stoffe einzuführen, in welcher die chem. Zusammensetzung zum Ausdruck kam. Diese Art der Stoffbez. wurde von Berzelius, Gerhardt, Laurent, Kekulé, A. W. von Hofmann u.a. weitergeführt. Mit der zahlenmäßigen Zunahme an analysierten u. synthetisierten Verb. u. der Intensivierung des internat. Gedankenaustausches entwickelte sich auch das Bedürfnis nach einer Vereinheitlichung der chem. Namen. Daher beauftragte der Internat. Chemikerkongreß in Paris 1889 eine Kommission mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für die chem. Namengebung. Diese Vorschläge wurden in den Sitzungen des Genfer Kongresses 1892, an dem sich 34 Chemiker aus 8 europäischen Ländern beteiligten, beraten u. als Empfehlungen verabschiedet (Genfer Nomenklatur). Für die Benennung der org. Verb. wurde ein umfangreiches, auch der heutigen N. der org. Chemie zumeist zugrunde liegendes Regelwerk rationeller Namen – heute spricht man von systemat. Namen – aufgestellt: Die aliphat. u. cycloaliphat. Verb. werden durch das Vorsetzen od. Anhängen von in diesem Lexikon separat abgehandelten Vor- u. Nachsilben (Präfixen u. Suffixen) an die Stammnamen (E parent names) benannt. Diese gehen häufig zurück auf griech. Zahlwörter, die die Anzahl der Kohlenstoff-Atome in einer Kette beschreiben od. auf Trivialnamen.
An die Stammnamen hängt man die Endungen (keine Suffixe im engeren Sinne):

  • an (gesätt. aliphat. Kohlenwasserstoffe),
  • en (ungesätt. aliphat. Kohlenwasserstoffe mit Doppelbindung),
  • in (ungesätt. aliphat. Kohlenwasserstoffe mit Dreifachbindung),
  • yl (einwertige Radikale);
  • die Vorsilbe iso- sollte zur Benennung verzweigter Ketten dienen
  • Alkohole sollten das Suffix -ol (Ethanol)
  • Aldehyde -al (Hexanal)
  • Ketone -on (2-Butanon)
  • für Kohlenhydrate bzw. Enzyme sollten die Endungen -ose bzw. -ase charakterist. sein

Bes. Beachtung verlangte die N. im Fall der Isomerie. Zur Kennzeichnung von Substitutionsstellen wird die (unverzweigte) Kette von einem Ende zum anderen durchnumeriert; diese Nummern (Stellungsziffern) nennt man Lokanten (E locants). Bei Verw. von griech. Buchstaben statt Ziffern beginnt das Alphabet mit „a“ an demjenigen C-Atom, das die charakterist. Gruppe trägt.
Räumliche Anordnungen sollten durch die Vorsilben

  • cis- od. syn-
  • trans- od. anti-
  • meso-
  • epi-
  • cyclo- usw.

gekennzeichnet werden; heute sind die Benennungen mit (E)- u. (Z)- u. mit (R)- u. (S)- hinzu- od. an die Stelle getreten. Die Deriv. von Stammverb. komplizierten Molekülbaues sollten durch (systemat.) Abwandlung der Trivialnamen der Grundverb. benannt werden.
Die Funktionsgruppe mit der höchsten Priorität erscheint als Suffix. Die früher vielfach verwendeten Namen mit 2 Suffixen (z.B. ...olon) sind nicht mehr zugelassen. Es ist nicht möglich, an dieser Stelle die seit 1978 gültigen N.-Regeln wiederzugeben: Das wegen seiner Einbandfarbe auch „Blaues Buch“ genannte N.-Werk der Org. Chemie „Nomenclature of Organic Chemistry“ umfaßt 560 Seiten.

Es gliedert sich in 7 Sektionen:

A. Kohlenwasserstoffe
B. Heterocycl. Syst.
C. Charakterist. Gruppen (mit C, H, O, N, Halogen, S, Se, Te)
D. Elementorg. Gruppen (mit P, As, Sb, Bi, Si, B, Metalle)
E. Stereochemie
F. Naturstoffe
G. Isotopenmodifizierte Verb.

Neben diesen N.-Regeln existieren gültige Richtsätze z.B. für die Benennung von Aminosäuren, Steroiden, Vitaminen, Carotinoiden, Kohlenhydraten, Corrinoiden u.a. Naturstoffen, von Verb. in abweichenden Wertigkeits- bzw. Bindigkeitszuständen, für die Klinische Chemie, für die Photochemie usw. Ebenso wie die neu synthetisierten org.-chem. Verb. komplizierter werden, nimmt auch die N. an Komplexität zu, u. es entstehen ggf. unhandliche, wenn auch meist eindeutige Namen. Eine der wesentlichsten Aufgaben der N.-Kommissionen der IUPAC ist es, das Regelwerk flexibel zu halten. Für die Zwecke der Chemie-Dokumentation u. Information, d.h. für die Verschlüsselung, Speicherung u. Wiederauffindung von Stoffbez. scheinen die von den N.-Kommissionen erarbeiteten Regeln zu schwerfällig u. zudem nicht immer eindeutig interpretierbar zu sein.
Anorg. Chemie: Für das Gebiet der Anorg. Chemie wurden von der 1921 gegr. Anorg. Nomenklaturkommission der IUPAC neue Richtlinien ausgearbeitet. Die Neufassung wurde 1959 veröffentlicht. Das wegen seiner Einbandfarbe oft auch kurz als „Rotes Buch“ bezeichnete N.-Werk wurde gleichlautend publiziert. Das Regelwerk legt die Namen der Elemente, Verb., Ionen u. Radikale fest u. gibt Empfehlungen zur systemat. Benennung von

  • Säuren u. Salzen
  • Iso- u. Heteropolyanionen
  • nichtstöchiometr. Verb.
  • Leg.
  • Bor-Verb.
  • u. Komplexen einschließlich deren Stereochemie

Selbstverständlich findet man auch Hinweise auf

  • die Anw. der Suffixe ...id, ...it, ...at etc.
  • die Benutzung des Ewens-Bassett- u. des Stock-Systems,
  • die Zulässigkeit von Gruppennamen wie
    • Chalkogenide
    • Erdalkalimetalle
    • Halogenide
    • Halide
  • die Notwendigkeit der Ersetzung von Bi... durch Hydrogen... Einschränkungen im Gebrauch von Ortho... usw.

Reaktionsmechanismen

Im Gegensatz zur Brutto-Reaktionsgleichung machen R. Aussagen über das Geschehen während der Reaktion. Dem im Dtsch. früher gelegentlich synonym verwendeten Begriff Chemismus hat die Bez. R. voraus, dass in ihr sowohl das Steuerbare als auch das selbsttätig Ablaufende eines Mechanismus (von griech.: mechanema = Kunstgriff, Maschine) anklingen. Im folgenden soll – unter Bezug auf das Stichwort Reaktionen – versucht werden, anhand von Beisp. v.a. aus der org. Chemie einige vielgebrauchte Begriffe zu definieren u. sie in Beziehung zueinander zu setzen. Während die Stöchiometrie einer Reaktion eine Aussage über die Mengenverhältnisse der an ihr beteiligten Stoffe macht u. die Ableitung von Gleichungen für die sog. Bruttoreaktion erlaubt, sollen R. beschreiben, wie es im einzelnen zur Bldg. bzw. Nicht-Bldg. des od. der Prod. kommt. Dabei muß man zunächst festzustellen versuchen, ob die betrachtete Reaktion eine einfache od. zusammengesetzte Reaktion (Stufenreaktion) ist. Beispielsweise kann die Isomerisierung einer Verb. A in einem Lsgm. (M) in einer einfachen Reaktion direkt zum Isomeren A' führen, sie kann aber auch als Stufen-Reaktion – z.B. unter Beteiligung des Lsgm. – vor sich gehen. Da die meisten chem. Reaktionen Gleichgew.-Reaktionen sind, sind selbstverständlich nicht nur die sog. Hinreaktionen, sondern auch die Rückreaktionen zu berücksichtigen. In der Mehrzahl der Fälle liegen Reaktionssequenzen mit Verzweigung vor. Die Aufklärung der zeitlichen Abfolge dieser verschiedenen Elementarreaktionen u. Zwischenreaktionen als Simultanreaktionen (Parallelreaktionen, Konkurrenzreaktionen) u. Sukzessivreaktionen (Folgereaktionen) ist eine äußerst diffizile Aufgabe für die Reaktionskinetik. Diese muß versuchen, über die Reaktionsgeschwindigkeiten (z.B. die Halbwertszeiten) die Reaktionsordnungen zu ermitteln u. über Konz.-Abhängigkeiten die Reaktionsmolekularitäten festzustellen, d.h. ob eine Elementar-Reaktion unimol. abläuft od. ob sie eine bimol. od. höhermol. Reaktion ist. Zur Klärung derartiger Fragen stehen heute Verf. der physik. Analyse zur Verfügung, mit denen sich auch sehr schnelle Reaktionen untersuchen lassen. Daneben stehen chem. Meth. zur Verfügung, mit denen z.B. reaktive Zwischenstufen wie Radikale, Carbenium- u. Carbonium-Ionen, Carbanionen, Carbene etc. durch zweckmäßig geplante Abfang-, d.h. Konkurrenzreaktionen nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden können . Durch Unters. ders. Reaktion sowohl in wäss. als auch nichtwäss. Lsgm. od. in der Gasphase, durch Unters. des Einflußes von Salzen (Salzeffekte), Schweratomen, Säuren od. Basen, Radikalfängern, Sensibilisatoren u. Katalysatoren od. mit anderem rein chem. Rüstzeug kann der Chemiker feststellen, ob eine Reaktion nach radikal., ion. od. elektroneutralen Gesichtspunkten abläuft, ob sie einen Protonierungsschritt enthält, katalyt. beeinflußbar ist od. welchem der beteiligten Mol. die photochem. zugeführte Aktivierungsenergie zugute kommt usw. Wichtige Hilfsmittel sind auch markierte Verbindungen. Erst bei Kenntnis der erwähnten kinet. Parameter (u. natürlich der chem. Konstitution der Ausgangs-, Zwischen- u. Endprod.) kann man versuchen, den mol. Mechanismus einer Reaktion zu beschreiben. Oft wird unter dem „eigentlichen R.“ überhaupt nur dieser Teil der Reaktionsaufklärung verstanden, der unter Zuhilfenahme von Strukturformeln, Elektronendichteverteilungen u. Ladungsschwerpunkten an einzelnen Atomen, Bindungsabständen etc. u. Berücksichtigung des Energieinhalts der verschiedenen Zustände verständlich zu machen sucht, warum ein Mol. mit einem anderen Mol., Atom, Radikal, Ion, so u. nur so reagiert, wie dies beobachtet wird. Resultate derartiger Überlegungen an einer Vielzahl jeweils gleichartiger Reaktionen waren zunächst empir. Regeln für die

  • Oxidation
  • Reduktion
  • Substitution
  • Eliminierung u. Fragmentierung
  • Addition
  • Hydrolyse
  • Veresterung
  • Salzbildung
  • Dissoziation
  • Cyclisation u.a. Ringreaktionen
  • Umlagerung
  • Valenzisomerisierung
  • Keto-Enol-Tautomerie
  • Polymerisation etc.

In diesen nur phänomenolog. abgeleiteten Regeln waren bereits die Einflüsse von funktionellen Gruppen, von Substituenten, von Nachbargruppen, von Hyperkonjugation, ster. Hinderung etc. auf den Reaktionsverlauf berücksichtigt, u. auch die Stereochemie einer Reaktion war in Grenzen voraussagbar, beispielsweise, ob sie mit Inversion od. Retention der Konfiguration verbunden sein würde. Ähnlich beschreibend, wenn auch mit der Kenntnis der Bindungsverhältnisse formuliert, sind Begriffe wie

  • Resonanz
  • Push-pull
  • Akzeptor/Don(at)or
  • Capto-dativ
  • Mesomerer u. Induktiver Effekt
  • Ortho-Effekt
  • Elektromerie
  • Käfig-Effekt
  • Pseudorotation od. Turnstile-Prozesse
  • Umpolung usw.

bei R. der anorg. Chemie bes. das

  • HSAB-Prinzip
  • Rückbindung
  • Cluster

Mit dem Eindringen der Quantentheorie-Betrachtungen in die chem. Theorie, d.h. mit dem Aufkommen der Quantenchemie, fanden diese empir. abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten teilweise ihre theoret. Untermauerung. Insbes. die semiempir. Molekülorbital-Theorie hat seit den 60er Jahren viel zum Verständnis der R. beigetragen. Gleichwertige Aussagen zu R. erhält man häufig bei Anw. des Frontorbital-Konzepts von Fukui, bei dem die Elektronen-Delokalisierung zwischen den HOMO u. LUMO genannten Molekülorbitalen untersucht wird. Heutzutage werden in vielen Labors quantenchem. Verf., sowohl ab initio als auch semiempirische Verfahren, eingesetzt, um die Geometrien u. Energien von Übergangszuständen zu berechnen. Oft wählt man zur Beschreibung der energet. Verhältnisse innerhalb einer Reaktion die Darst. ihres Energieprofils.

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