Reaktionen
In der Chemie Sammelbez. für alle zu stofflichen Umwandlungen führenden Wechselwirkungen zwischen chem. Elementen u./od. Verb., d.h. auf mikroskop. Ebene zwischen Molekülen u./od. Atomen. Von diesen chem. R., bei denen im wesentlichen Veränderungen in den Elektronenhüllen der Atome der Reaktionspartner eintreten, sind die sog. Kernreaktionen zu unterscheiden, bei denen Umwandlungen der Atomkerne erfolgen, sowie Streuprozesse als R. zwischen Elementarteilchen. In Anbetracht der Unzahl interessanter R. – man könnte ja die R. als „Stoffwechsel der Chemie“ ansehen – kann natürlich im folgenden nur auf einige wenige typ. Gesichtspunkte hingewiesen werden, die außerdem im allg. im Chemie-Lexikon als Einzelstichwörter ausführlicher behandelt sind.
Die chem. Vorgänge in der Natur, in Laboratorium u. Technik vollziehen sich zwischen den reagierenden Mol. im allg. in Lsg. od. Gasgemischen, aber auch in Krist. (homogene Festkörper-R.) bzw. an den Grenzflächen von festen, flüssigen u. gasf. Stoffen (heterogene R.). Es gelten die gleichen Gesetzmäßigkeiten für chem. R., gleichgültig, ob es sich um R. zwischen Atomen, synthet. Makromol. (polymeranaloge R.) od. natürlichen Polymeren wie bei enzymat. R. handelt. Bei einer synthet. R. erfolgt der Aufbau einer Verb. aus den Elementen od. aus einfacheren Verb. Eine analyt. R. besteht in der Zerlegung einer Verb. in einfachere Bestandteile – im Extremfall in die Elemente. Dementsprechend spricht man von Aufbau- u. von Abbau-R. – bei Stoffwechsel-R. statt dessen von Anabolismus u. Katabolismus.
Bei chem. R. nennt man diejenigen Elemente u./od. Verb., durch deren Wechselwirkung die R. in Gang kommt, die Ausgangsmaterialien od. -stoffe od. Edukte od. Reaktanten (Reaktanden) u. demgegenüber die am Schluß vorhandenen Elemente u./od. Verb. R.-Prod. od. Endprod. od. Produkte. Die Wechselwirkung zwischen zwei R.-Partnern kann entweder direkt zum R.-Prod. od. auch zunächst nur zu einer nicht isolierbaren Zwischenstufe od. zu einem isolierbaren Zwischenprod. führen, das seinerseits entweder sogleich zum Endprod. od. zuvor zu einem weiteren Zwischenprod. weiterreagiert (R.-Sequenz). Bei derartigen aus mehreren Elementarreaktionen zusammengesetzten R. folgen der Primär-R. eine od. mehrere Sekundär-R., die als Simultan- bzw. Parallel-R. od. als Sukzessiv- bzw. Folge-R. ablaufen können. Bekannte Beisp., bei denen solche Zwischen-R. durchlaufen werden, sind Kettenreaktionen, bei denen vielfach die Katalyse eine Rolle spielt, u. die Poly-R. – beispielsweise definiert man hier folgende Typen:
- Start-Reaktionen
- Fortpflanzungs-Reaktionen
- Wachstums-Reaktionen
- Aufbau-Reaktionen
- Einschiebungs-Reaktionen
- Abbruch-Reaktionen
Hat ein R.-Partner die Möglichkeit, mit mehreren anderen Komponenten des R.-Syst. zu reagieren, dann wird er im allg. mit einem der Partner bevorzugt zum Hauptprod. reagieren (Haupt-R.), u. die Nebenprod. werden in Neben-R. gebildet. Wetteifern mehrere Ausgangsmaterialien miteinander, so spricht man auch von Konkurrenzreaktion. Übrigens sind Zwischen-, Haupt- u. Neben-R. nicht nur bei der R. mehrerer Ausgangsstoffe miteinander anzutreffen (intermol. R.), sondern auch bei R. innerhalb desselben Mol. (intramol. R. wie Umlagerungen, Isomerisierungen). Als sog. induzierte R. (gekoppelte R.) bezeichnet man solche Stufen-R., die durch eine gleichzeitig ablaufende zweite R. ausgelöst od. beschleunigt werden. Beisp.: Landoltsche Zeitreaktion. Der Ersatz eines Bestandteils einer Verb. durch einen anderen heißt Austausch-R. mit dem Sonderfall der Metathese; in der org. Chemie wird dieser R.-Typ Substitutions-R. genannt.
Bei der Bldg. einer neuen Verb. durch Anlagerung eines Elements od. einer Verb. an eine ungesätt. Verb. spricht man von Additions-R., bei der Umkehrung des Vorgangs von Eliminierungs-R. Unter chem. Transport-R. versteht man solche R., bei denen eine Substanz von einer anderen reversibel aufgenommen u. an anderer Stelle wieder in Freiheit gesetzt od. auf eine dritte Substanz übertragen wird (Übertragungsreaktion). Bei einer Abfang-R. wird eine intermediär auftretende instabile Zwischenstufe an einen zugesetzten R.-Partner (z.B. einen Radikalfänger) gebunden u. kann sich somit nicht weiter umsetzen.
Befindet sich ein R.-Syst. im chem. Gleichgew., so gilt das Prinzip der mikroskop. Reversibilität, welches besagt, daß für jede individuelle R. auf demselben R.-Weg eine Rück-R. mit gleicher Häufigkeit abläuft. Makroskop. folgt daraus ein stationärer Zustand, den das Massenwirkungsgesetz beschreibt. Sonderfälle reversibler R., d.h. mehrfach wiederholter Hin- u. Rück-R. sind die oszillierenden R., bei denen in einer längeren R.-Kette die Ausgangsstoffe immer wieder neu gebildet werden. Verzichtet man in R.-Gleichungen auf die formelmäßige Erfassung einzelner R.-Glieder, dann spricht man von Bruttoreaktion. Eine chem. R. ist gekennzeichnet durch Stöchiometrie, Thermodynamik u. Kinetik, die auch den Stoffumsatz bestimmen. Damit eine chem. R. nach den Gesetzen der Thermodynamik freiwillig ablaufen kann, muß die freie Reaktionsenthalpie DrG einen neg. Wert besitzen; man redet dann auch von einer exergon. Reaktion. Hinsichtlich der Aufnahme od. Abgabe von R.-Wärme unterscheidet man zwischen endothermen bzw. exothermen Reaktionen. Erstere besitzen eine pos., letztere eine neg. R.-Enthalpie DrH.
Die von einer Verb. zu erwartenden R. lassen sich zwar weitgehend an den Strukturformeln ablesen, doch ob diese R. dann über Radikale od. über Ionen verlaufen, hängt von zahlreichen Parametern ab:
Druck,
Temp.,
Strahlung,
elektr. od. magnet. Feldern,
Katalysatoren,
Art des Lsgm.
etc..
In der org. Chemie ist die Ionenbindung relativ selten, u. mithin sind Ionen-R. nicht so selbstverständlich wie in der anorg. Chemie. Dennoch sind zahllose R. in der org. Chemie nur über Ionen formulierbar, die sich erst während der R. durch Heterolyse der chem. Bindung (durch Homolyse entstehen dagegen Radikale) bilden; man faßt deshalb die sog. elektrophilen u. die nucleophilen R. oft auch als kryptoion. R. zusammen. Nur dem Namen nach mit diesen R. verwandt sind die Ionen-Mol.-Reaktionen. Bei Kenntnis aller Faktoren, die für Eintreten u. Ablauf einer R. verantwortlich sind, kann man einen R.-Mechanismus formulieren.
Auf empir. Wege, d.h. durch Auswertung einer Vielzahl von R., hat die theoret. Chemie bestimmte Voraussetzungen für den Ablauf von R. u. deren Gesetzmäßigkeiten erkannt. Die heutigen Vorstellungen finden ihre Formulierung als
Prinzip der minimalen Strukturänderung,
Prinzip minimaler Kernbewegungen
Prinzip der minimalen chem. Distanz,
Rice-Teller- u. Schuler-Prinzipien
Woodward-Hoffmann-Regeln kann man hierher zählen.
Zum Verständnis der Reaktivität chem. Elemente u. Verb. trägt insbes. die Quantenchemie bei, die z.B. mit Hilfe von störungstheoret. u.a. Rechenverf. der MO-Theorie Voraussagen über das mögliche R.-Verhalten von Mol. machen kann.
Zur Klassifikation, Notation u. Dokumentation chem. R. sind zahlreiche Vorschläge gemacht worden, vgl. die Aufsätze in der Zeitschrift J. Chem. Inform. Computer Sci. sowie die IUPAC-Empfehlungen. Viele der R. tragen als Namensreaktionen den Namen ihrer Entdecker.
Exotherm
Im Gegensatz zu endothermen Reaktionen laufen e. Reaktionen unter Freisetzung von Wärme ab; die zugehörige Reaktionsenthalpie od. Phasenumwandlungs-Enthalpie ist daher negativ. Als Exothermie bezeichnet man bei gefährlichen Arbeitsstoffen die Eig., oberhalb einer Meßtemp. exotherm zu reagieren.
Endotherm
Eine chem. Reaktion ist e., wenn sie unter Wärmeaufnahme aus der Umgebung abläuft. Die Reaktionsenthalpie einer e. Reaktion ist daher positiv. Der Begriff e. wird zuweilen auch auf Phasenumwandlungen angewandt.
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